Monthly Archive for März 2021

Diskriminierung ist oft mehrdimensional

Seit 2009 wird der Transgender Day of Visibility jährlich am 31. März begangen. Dieser Tag soll ein Gegengewicht zu dem Erinnerungstag für ermordeten Trans*menschen – Transgender Day of Remembrance – darstellen. Auch der Transgender Day of Visibility nahm in Michigan seinen Startpunkt und wird mittlerweile rund um die Welt gefeiert. An diesem Tag wollen alle Menschen zusammen geschlechtliche Vielfalt feiern und damit zum einen diese sichtbar machen und zum anderen Sensibilisieren.

Hannah Truslen
Hannah Truslen

Anlässlich des diesjährigen Transgender Day of Visibility erklärt die stellvertretende Landesvorsitzende der NRWSPDqueer Hannah Trulsen:

Ein Jahr Pandemie. Vor einem Jahr konnten wir uns das nicht vorstellen. Das gesellschaftliche Leben steht weitestgehend still – was aktuell auch unerlässlich und richtig ist. Die Sichtbarkeit von Trans*menschen findet nicht mehr so statt, wie viele sich das wünschen würden: Theater, Kinos und andere Räume von, auch queerer, Kunst sind geschlossen. Alles dreht sich um Covid-19, Impfstoffe und Mutationen. Daher sollten wir diesen Tag, den Transgender Day of Visibility, nutzen und auf das Leben von Trans+menschen in der aktuellen Situation aufmerksam machen: Diskriminierung, egal ob im privaten oder öffentlichen Raum, ist oft mehrdimensional!


(Junge) TranS+menschen sind in familiären Kontexten gezwungen sich selbst zu verleugnen und das mit einem hohen Leidensdruck, was nicht nur mit dem Alter, sondern auch u. a. mit Herkunft, finanziellen Ressourcen oder dem religiösen Hintergrund zusammenhängt. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist erschwert, der den oben beschriebenen Leidensdruck erhöht.

Leider wird auch immer wieder ein verzerrtes Bild von Trans*menschen gezeigt, die Identität wird zu einem Fetisch stilisiert. Zuletzt konnten wir dies im Tatort sehen. Eine öffentliche Debatte dazu, aber der viel wichtigere Diskurs innerhalb der Trans*communities, kann gar nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden. Es würde gerade der ARD gut zu Gesicht stehen dieses Thema selbst auf die Tagesordnung zu setzen und eine Debatte der Wahrnehmung von Trans*menschen im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu initiieren. Dabei sollten aber vor allem Trans*menschen zu Wort kommen und nicht über sie gesprochen werden. Auch die Vielfältigkeit von Trans*menschen sollte in dieser Debatte abgebildet werden, denn Diskriminierung ist mehrdimensional und das sollten wir endlich anerkennen und ernstnehmen.


Die Chaos-Truppe um Ministerpräsident Laschet nimmt das Thema nicht ernst, denn das langversprochene Diversity-Management-Konzept für die Landesregierung als Arbeitergeberin liegt bis heute nicht vor. Die Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach scheint zu beschäftigt mit der Vergangenheit und einerRömerausstellung in Köln.

In und nach der Pandemie: Queere Strukturen und Jugendarbeit nachhaltig stärken!

Seit 1998 besteht das queere Jugendzentrum anyway in Köln. Die Corona-Pandemie traf die größte Einrichtung Europas dieser Art hart. So fehlten rund 31.500€, die das anyway in Folge der Schutzmaßnahmen nicht an Eigenmittel erwirtschaften konnte. Durch eine von breiten Teilen der Community getragenen Spendenaktion wurde diese Finanzlücke aufgefangen. Die Situation des Jugendzentrums anyway macht jedoch deutlich, wie anfällig queere Community-Strukturen insbesondere in der Pandemie sind. Diese Strukturen leisten wichtige Arbeit. Sie und die queere Jugendarbeit müssen nachhaltig gestärkt werden.

Fabian Spies, Foto: Gerd P. Müller / NRWSPD

Hierzu erklärt der Landesvorsitzende der NRWSPDqueer, Fabian Spies:

Als NRWSPDqueer freuen wir uns natürlich sehr, dass durch die Solidarität der Community, die Finanzlücke des queeren Jugendzentrums anyway geschlossen werden konnte.

Ein Blick auf die Arbeit des anyway macht deutlich, dass dieses auch nach der Pandemie weiter gestärkt werden muss. Angefangen als schwul-lesbisches Jugendangebot gibt es das anyway nun seit über 20 Jahren. Dabei hat sich mittlerweile die Zielgruppe stark vergrößert: LSBTIQ*-Jugendliche, Geflüchtete, Jugendliche mit Migrationsgeschichte etc. Aber auch die Anzahl der Angebote und Projekte ist angewachsen. Damit verbunden ist auch ein gestiegener Verwaltungsaufwand. Mittelfristig bedarf es hier unser Auffassung daher einer besseren personellen Förderung der Geschäftsführung und Verwaltung.

Dies gilt jedoch nicht nur für das anyway. Die Corona-Pandemie zeigt, wie fragil queere Strukturen sind: Beratungsangebote für LSBTIQ* können nicht oder nur eingeschränkt stattfinden. Vereine und Verbände, die von öffentlichen Mitteln abhängen, geraten unter Druck. Safe Spaces wie Bars, Clubs oder Saunen droht das aus. Hier droht ein nie dagewesener Kahlschlag der queeren Infrastruktur, der auf Dauer nicht durch Spenden aus der Community aufgefangen werden kann und unbedingt verhindert werden muss.

Es braucht daher unmittelbare Maßnahmen zum Erhalt queerer Strukturen, aber auch langfristiger politischer Entscheidungen, um die Krisenfestigkeit der queeren Infrastruktur zu sichern. Nach der Pandemie dürfen diese nicht dem Rotstift zum Opfer fallen, sondern müssen nachhaltig gestärkt werden.

Sascha Roncevic
Sascha Roncevic – Foto: Sarah Ungar

Der stellvertretende Landesvorsitzende der und jugendpolitischer Sprecher der NRWSPDqueer, Sascha Roncevic, ergänzt:

Jugendliche leiden unter der Pandemie. Dennoch werden ihre Bedürfnisse kaum berücksichtigt. Dies gilt im besonderen Maße für queere Jugendliche. Umso wichtiger ist es, die queere Jugendarbeit weiter zu stärken. Egal ob, ehrenamtlicher Jugendtreff oder hauptamtliches Jugendzentrum – diese Angebote leisten nicht nur unersetzliche Aufklärungs- und sozial-pädagogische Arbeit, sondern sind auch oft auch die einzige Lobby queerer Jugendlicher.

Während bei jeder Lockerung der Infektionsschutzmaßnahmen immer wieder kalkulierte Risiken in bestimmten Gesellschaftsbereichen eingegangen werden, wird der Fokus bei Jugendlichen von der Landesregierung nur auf die Schule gelegt. Dies spiegelt jedoch nicht alleine die Lebenswirklichkeit von jungen Menschen wider. Gerade für junge LSBTIQ* kann die Schule ein Ort von Ausgrenzung und Gewalterfahrung sein. Daher müssen Freiräume für junge Menschen im Allgemeinen und „Safe Space“-Angebote für junge LSBTIQ* im Speziellen in diesem Zusammenhang stärker priorisiert werden Aber auch nach der Pandemie gilt es queere Jugendarbeit krisensicher zumachen. Zahlreiche Mittel müssen jährlich erneut als Förderung beantragt werden, obwohl sie seit Jahren etabliert sind. Dabei gehören sie als Rückgrat der LSBTIQ* Jugendarbeit in die Regelförderung. Queere Jugendarbeit ist dabei ein fester Bestandteil queerer Community-Strukturen. Diese sind kein Selbstzweck, sondern ein solidarisches Netzwerk, das über Jahrzehnte gewachsen ist und LSBTIQ* Schutz und Unterstützung gewährt!

Zum Internationalen Frauentag 2021: Sichtbarkeit lesbischer Frauen wichtiger denn je!

Weltweit bekämpfen Rechtspopulisten und Chauvinisten Frauenrechte. Frauen werden beleidigt, erniedrigt, diskriminiert, verletzt und ermordet. Diese Rechtspopulisten stellen Frauenrechte in Abrede – auch in Deutschland. Es sind dieselben Rechtspopulisten, die LSBTIQ*-feindlich hetzen und dabei versuchen, auf dem Rücken von Minderheiten Stimmung zu machen.

Seit 1911 steht der Internationale Frauentag für die Forderung von sozialer und politischer Gleichberechtigung aller Frauen, 1977 wurde der 8. März auch offiziell von den Vereinten Nationen als Weltfrauentag für die Rechte der Frau erklärt. Aus Sicht der NRWSPDqueer ist dieser Tag (auch für LSBTIQ*) noch immer wichtig:

Trotz Frauenwahlrecht, Gleichberechtigung laut Grundgesetz und großer Fortschritte in der gesellschaftlichen Akzeptanz, bleibt der Internationale Frauentag auch in Deutschland wichtig: Solange Frauen im Schnitt 22 Prozent weniger Gehalt bekommen als Männer. Solange Deutschland zu den Schlusslichtern gehört, was die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen anbelangt. Solange Familie und Beruf in Deutschland kaum vereinbar sind ohne Karriereeinbußen. Solange wir uns in Deutschland noch ernsthaft für eine Sexismus-Debatte verteidigen müssen. Solange sollten wir selbstbewusst und laut den Frauentag besonders feiern und die Forderungen bekräftigen.

Dabei dürfen gerade lesbische Frauen nicht fehlen. Immer noch sind sie sowohl in der schwul-dominierten queeren Szene, als auch in der Frauenbewegung „unsichtbar“. Frauenfeindlichkeit und LSBTIQ*-Feindlichkeit sind oftmals zwei Seiten derselben Medaille. Daher ist es unsere feste Überzeugung als queere Sozialdemokrat*innen, dass die Sichtbarkeit von Lesben in unserer pluralen Gesellschaft weiter gefördert werden muss, um Diskriminierung und Hetze durch rechte Kräfte sowohl gegen Frauen als auch gegen LSBTIQ* entgegen zu wirken!

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