Monthly Archive for Januar 2015

Gedenkveranstaltung am 27. Januar 2015 am Mahnmal im Kölner Rheingarten

Sven Wolf

Sven Wolf

“Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass sich Verfolgung von Homosexualität weder in strafrechtlicher, noch in gesellschaftlicher Hinsicht wiederholt. Das kann gelingen, wenn wir auch an diesem Punkt unsere Geschichte gemeinsam aufarbeiten und wach halten!”

Rede zur Gedenkveranstaltung für die lesbischen und schwulen Opfer des Nationalsozialismus:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst danke ich den Veranstaltern, dem Schwulen Netzwerk NRW, der LAG Lesben NRW, dem LSDV, ver.di und der Arcus Stiftung, für die freundliche Einladung und die Möglichkeit, hier einige Worte sagen zu dürfen.

Wir gedenken hier der Opfer der Naziherrschaft, aber mit dem 08. Mai 1945 endete deren Leid nicht.

Über viele Jahrzehnte wurden homosexuelle Menschen – vor allem homosexuelle Männer – in unserem Land verfolgt. Damit verbunden sind zahlreiche persönliche Schicksale.
Im Landtag NRW haben wir uns mehrfach mit der Verfolgung und Diskriminierung in den früheren Jahren der Bundesrepublik beschäftigt. Im September 2012 forderten wir die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zu unterstützen, die sich für eine Aufhebung der Urteile ausspricht. Der Bundesrat beschloss daraufhin im Oktober 2012 den Auftrag an die Bundesregierung die Aufhebung der Urteile „ernsthaft […] zu prüfen.“ Zuletzt haben wir uns im März letzten Jahres mit einem Antrag zu diesem Thema befasst.

Der Landtag stellte damals fest: „Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen zwischen 1949 und 1994 war falsch. […] Es ist an der Zeit, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland bei den Männern entschuldigt, die zwischen 1949 und 1994 nach § 175 StGB verurteilt wurden.“

Wir haben die Landesregierung aufgefordert, die Geschichte der Verfolgung Homosexueller nach 1949 durch beamtenrechtliche Verordnungen, Einzelfälle und Strafurteile aufzuarbeiten und das Thema stärker in die Öffentlichkeit zu tragen, außerdem die Emanzipationsbewegung von Lesben und Schwulen verstärkt zum Gegenstand politischer und historischer Bildung zu machen.

Es gilt eine Wiederholung dieses Unrechts in Gegenwart und Zukunft auszuschließen. Es gilt sich zu entschuldigen für das, was im Namen des Volkes als Recht gesprochen wurde, obgleich es die Würde des Menschen missachtet.

Besonders haben mich die Schicksale der Männer erschüttert, die Konzentrationslager überlebten, Entschädigungen beantragten und sich dann erneut Ermittlungsverfahren ausgesetzt sahen. Die verschärften Strafnormen der Nazizeit aus dem Jahr 1937 galten zunächst unverändert in der Bundesrepublik fort.

Als Jurist bin ich dabei besonders angewidert von der perfiden Stringenz die sich in den Anfangsjahren des Bundesverfassungsgerichts zeigte.

Noch 1957 bestätigten die damaligen Hüter des Grundgesetzes die Strafnormen gegen Schwule im Einklang mit dem Grundgesetz. Sie führten aus, „Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz.“ Es folgen lange Ausführungen von angeblichen Sachverständigen über den Sexualtrieb von Männern und Frauen, die heute glücklicherweise als überholt gelten dürfen.

Das Verfassungsgericht spannte einen Bogen über die abendländische, christliche Kultur und Geschichte. Es begründete damit die Ablehnung von Homosexualität und rechtfertigte, diese Handlungen unter Strafe zu stellen.

Es fehlten jedoch Hinweise, dass in der Rechtsgeschichte bereits seit dem Code Civil 1804 einvernehmliche Sexualhandlungen nicht mehr unter Strafe standen. Erst die Einführung eines einheitlichen Strafrechts 1872 stellte Homosexualität wieder in allen Ländern des Deutschen Reichs unter Strafe.

Das Verfassungsgericht vergaß auch zu erwähnen, dass es nach dem Inkraftreten des § 175 StGB eine breite Initiative in der Gesellschaft gab, die sich für seine Aufhebung stark machte. Einer ihrer führenden Köpfe war der Begründer des wissenschaftlich-humanitären Komitees, Magnus Hirschfeld.

Magnus Hirschfeld war es auch, der eine Petition an den Reichstag richtete. Hieraus entstand eine Debatte im Reichstag im Januar 1898, die auch heute noch lesenswert ist. Kein geringerer als der sozialdemokratische Parteivorsitzende August Bebel unterstützte als Mitunterzeichner diese Petition und forderte gemeinsam mit vielen seiner Kollegen eine Aufhebung des § 175 StGB.

Er beklagte, mit dieser Norm seien der Polizei und Justiz für willkürliche Verfolgung Tür und Tor geöffnet. Er erläuterte, dass anstelle von Verfahren die Sittenpolizei Listen führe, um bestimmte Personen dann später unter Druck zu setzen. Der § 175 StGB verkam also zu einem Instrument, mit dem eine willkürliche Verfolgung legitimiert wurde.

Wir müssen aber nicht nur die strafrechtliche Verfolgung aufarbeiten, sondern auch die vielen tragischen Fälle von Sanktionen im Berufs- und Alltagsleben. Oft genügten Gerüchte um Karrieren und Existenzen zu zerstören.

Beispielhaft will ich an einen Fall aus Köln in den 1960er Jahren erinnern.
Es traf Franz Grobben. Er war CDU Mitglied und seit 1958 Regierungspräsident in Köln. Er wird 1966 an einem Treffpunkt für Schwule aufgegriffen, erkennungsdienstlich behandelt und schied daraufhin aus angeblichen „gesundheitlichen Gründen“ aus seinem Amt aus.
Häufig wird uns die Frage gestellt, „Ist das alles noch notwendig? Es hat sich doch vieles gewandelt.“

Es stimmt: Einiges hat sich geändert. Zum Beispiel in der Justiz: Heute ist das Bundesverfassungsgericht beinahe ein „Vorkämpfer“ für die Rechte von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Urteile wie eingangs zitiert sind dort nicht mehr zu erwarten.
Aber: Toleranz und Respekt vor anderen Lebensentwürfen brauchen lange, bis sie in der Gesellschaft verankert und verwurzelt sind. Das zeigen die weiterhin hohen Zahlen von homophoben Übergriffen und Beleidigungen.

Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass sich Verfolgung von Homosexualität weder in strafrechtlicher, noch in gesellschaftlicher Hinsicht wiederholt.

Und nicht nur, weil Toleranz gerade modern ist.

Das kann gelingen, wenn wir auch an diesem Punkt unsere Geschichte gemeinsam aufarbeiten und wach halten!

Daher sind auch die Demonstrationen und die vielen CSDs in unserem Land wichtig, gerade auch hier in Köln!

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt!

Jetzt, wo es noch genügend Zeitzeugen gibt, die darüber berichten könnten.

Jetzt, wo es noch genügend Betroffene gibt, denen wir die Hand zur Entschuldigung reichen können.

Mitgliederversammlung der Schwusos NRW macht sich für Namensänderung stark

Anke Vetter

Anke Vetter

Am 24. Januar 2015 fand die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der NRW-SPD statt. Einstimmig sprachen sich die anwesenden Genossinnen und Genossen dafür aus, den Namen der Arbeitsgemeinschaft zu ändern. Der Vorschlag Arbeitsgemeinschaft queerer Sozialdemokrat*innen soll einem ebenfalls einstimmigen Beschluss nach, der Bundesebene als Änderungsvorschlag vorgelegt werden.

Gerade die Kurzform Schwusos soll hierbei so geändert werden, dass sich auch Lesben, Bi-, Inter- und Transsexuelle angesprochen fühlen. Die breite Mehrheit der Versammlung sprach sich für den Zusatz QueerSozis aus. Weiteren Zuspruch fand der Zusatz QueerSocialists.

Dazu erklärt Anke Vetter, frauenpolitische Sprecherin der Schwusos NRW: „Seit fast 37 Jahren gibt es die Schwusos. Wir sind stolz auf Erreichte und dankbar für das von unseren Vorgängern – meist schwule Männer – Geleistete. Sie haben damit eine Grundlage von Verständnis innerhalb der SPD geschaffen und uns für die Arbeit nach außen ein Gesicht gegeben. Inzwischen sind viele Lesben, Transmenschen und andere bei uns gerne aktiv. Zehn Arbeitsgemeinschaften in NRW zeugen durch ihre aktive Arbeit in den jeweiligen Unterbezirken davon. Wir spüren auch ein großes Interesse in der Bevölkerung bei uns mitzumachen und innerhalb der NRW-SPD uns zu unterstützen. Eine Hemmschwelle bzw. erklärungsbedürftig war hier aber häufig unser Kürzel ‚Schwusos‘. Alle die nicht schwul sind, können sich mit diesem Namen nicht identifizieren.“

Schwusos NRW gratulieren Preisträgern der Kompassnadel 2015

Sascha Roncevic

Sascha Roncevic

Am 16. Januar 2015 wurden die diesjährigen Preisträger der KOMPASSNADEL bekannt geben. Seit 2000 verleiht das Schwule Netzwerk diesen Preis an Persönlichkeiten, die sich um die Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Schwulen besonders verdient gemacht haben. Ausgezeichnet werden dieses Jahr der ZDF-Redaktionsleiter Stephan Denzer und der langjährige Aktivist Michael Jähme. Die AG Schwusos NRW gratuliert den beiden Preisträgern!

Stephan Denzer und das Team der heute-show werden für das konsequente Eintreten für eine offene Gesellschaft sowie für das stetige Entlarven homo- und transphober Hetzer und Verleumder ausgezeichnet – eine Haltung, die so subversiv wie publikumswirksam ist.

„Wir begrüßen, dass mit Stephan Denzer ein Medienmacher ausgezeichnet wird, der mit dem von ihm geschaffenen Format für ein schlagkräftiges Hinterfragen von populistischer, homo- und transphober Meinungsmache sorgt. Gerade wenn man sich bewusst macht, dass es eine neokonservative Rollbackbewegung mit ihren obskuren Thesen und Parolen in Mainstreammedien wie die F.A.Z schafft, scheint Denzers Arbeit als Gegengewicht unerlässlich.“, erklärt Sascha Roncevic, stellv. Landesvorsitzender und medienpolitischer Sprecher der Schwusos NRW.

Michael Jähme ist seit vielen Jahren haupt- und ehrenamtlich in der Schwulen- und Aidshilfebewegung aktiv. Seit Mitte 2013 führt er Zeitzeugeninterviews durch. Viele seiner Interviewpartner wurden nach 1945 weiter durch den § 175 StGB verfolgt und verurteilt. Sein Projekt will die Lebenserfahrungen von Menschen dokumentieren, denen eine freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit aufgrund der heteronormativ gestimmten gesellschaftlichen und rechtlichen Lebensbedingungen kaum oder gar nicht möglich war.

„Dass mit Michael Jähme, ein Aktivist ausgezeichnet wird, der sich für die historische Aufarbeitung des Unrechtsparaphen 175 engagiert, freut uns sehr. Auch uns ist dieses Thema ein Herzensanliegen. So haben wir im vergangen Jahr zwei Initiativen zum §175 angestoßen.“, kommentiert Roncevic die Bekanntgabe der Auszeichnung.

Die erste Initiative befasst sich mit dem begangen Unrecht und dessen Aufarbeitung. Die zweite stellt das Verhältnis der SPD zum §175 in den Vordergrund. So war eine Wanderausstellung mit dem Titel „Die SPD und der § 175 – Stationen einer 120jährigen Entwicklung“ bereits in Düsseldorf, Köln, Dortmund und Duisburg zu sehen. Im Zeitraum vom 27.01. – 13.02.2015 wird sie im Krefelder Südbahnhof gezeigt.

PEGIDA – Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans* für eine freie, vielfältige Gesellschaft!

046e1f5f60Johannes Kahrs, Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Lesben und Schwulen, erklärt zu den andauernden Demonstrationen der PEGIDA und ihrer Ableger:

Seit Wochen spalten die sogenannten Abendspaziergänge der Dresdener PEGIDA die Gesellschaft. Auf dem Papier geben sich die Organisatoren liberal, in den sozialen Netzwerken aber schlägt von den Anhängern der PEGIDA blanker Hass gegenüber Muslimen, Flüchtlingen, Politik und Medien durch.

Wer glaubt, diesem kollektiven Schulterschluss von rechten und erzkonservativen Gruppierungen mit Gesprächsangeboten oder Verständnis begegnen zu können, befindet sich auf dem Holzweg! Da wird offen Gewalt angedroht, verunglimpft, und sogar zum Mord aufgerufen, was die Tasten hergeben. Am Rande der Kundgebungen kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen mit der Polizei oder regelrechten Hetzjagden auf ausländische Mitbürger. Dafür kann es kein Verständnis geben!

Mit Freude sah ich in dieser Woche, dass Bündnisse aus verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen weit mehr Menschen mobilisieren konnten, als PEGIDA auf Dresdens Straßen. Ganz selbstverständlich und in großer Zahl haben auch queere Interessengruppen wie der LSVD, Enough-is-Enough und die CSD-Vereine zu diesen Kundgebungen aufgerufen, sich beteiligt und so ein starkes Signal für eine freie und pluralistische Gesellschaft gesendet: Braun ist keine Farbe des Regenbogens! Deutschland ist und bleibt bunt!

Dieses Weblog ist Teil des soziblogs.de-Netzwerks. Erstellt mit Wordpress und K2.      RSS:  Artikel Kommentare  Impressum