Monthly Archive for Oktober 2014

FAZ, Focus und Fundamentalisten

36579_212067328907153_1241447480_nDie Proteste gegen den Bildungsplan für eine offene und vielfältige Gesellschaft in Baden-Württemberg gaben einer Bewegung aus Ultrakonservativen und (christlichen) Fundamentalisten ein verstärkte Medienpräsenz. Nun scheinen die Radikalen auch in etablierten Medien Gehör gefunden zu haben. Offenbar nutzen sie diese, um ihre absurden Thesen ungefiltert zu verbreiten. Bereits zum zweiten Mal in diesem Monat veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen polemischen Beitrag, der vor Aufklärung über sexuelle Vielfalt an den Schulen warnt. Martin Voigt propagiert in seinem Beitrag “Aufklärung oder Anleitung zum Sex?”, dass rot-grüne Bildungspolitik Kindesmissbrauch fördere und die gesamte Gesellschaft umerzogen werden solle.

Voigts Text ist keine sachlich-pädagogische Auseinandersetzung sonder reine Hetze. Wie auch der ebenfalls in der in der der FAZ erschienene Artikel “Unter dem Deckmantel der Vielfalt” von Antje Schmelcher besteht er vor allem aus einer Aneinanderreihung von Fremdzitaten zu Themen, die kaum zusammengehören. Man kann hier nur dürftig von Journalismus, sondern muss eher von gezielter Desinformation sprechen. Dabei wird bewusst mit der Dämonisierung von Lesben und Schwulen ein Klima der Diskriminierung etabliert. Die unterschwellige Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophile, sowie der Mythos von der “Rekrutierung” von Kindern durch Homosexuelle, die seit Jahren im demagogischen Giftschrank weggeschlossen waren, werden nun wieder hervorgebracht. Gruppenbezogene Diskriminierungen sollen so wieder diskursfähig gemacht werden. Den Akteuren dieser politisch rechten Sammelbewegung geht es um nichts weniger als ein Zurückdrehen des gesellschaftlichen Fortschritts der letzen Jahrzehnte. Nicht nur die Rechte Homosexueller sind von diesem Rollback betroffen. Auch das Frauenbild der Neokonservativen passt nicht in dieses Jahrhundert.. Was in den genannten Artikeln gedruckt wurde ist somit nichts anderes als ein direkter Angriff auf das demokratisch-plurale Selbstverständnis unserer Gesellschaft.

Neben der FAZ wurde auch der Focus zum Sprachrohr der Vielfaltsgegner. So warnte der Vorsitzende des Philologenverbands in Baden-Württemberg Bernd Saur vor einer “staatlich sanktionierten Vergewaltigung der Kinderseele”. Auch hier fehlt eine kritische Betrachtung Seitens des Wochenmagazins. In christlich-fundamentalistischen  und rechten Internetforen verbreiten sich dieser Tage alle genannten Artikel rege.

Die Schwusos NRW finden das Verhalten der beider Blätter enttäuschend und für die deutsche Presselandschaft beschämend. Sie fordern sowohl den Focus, als auch besonders die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf, ihrer Aufgabe in unserer Demokratie gerecht zu werden, zur gesellschaftlichen Aufklärung beizutragen statt sich weiter von rechtspopulistischen Rattenfängern instrumentalisieren zu lassen.

Lesben und Schwule doch nicht Willkommen

046e1f5f60Johannes Kahrs, Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Lesben und Schwulen zum Ergebnis der Familiensynode der Katholischen Kirche in Rom:

„Menschen mit homosexuellen Neigungen müssen mit Respekt und Feingefühl willkommen geheißen werden.” So hieß es vergangene Woche noch in einem Zwischenbericht der Synode der Katholischen Kirche. Auch für Geschiedene sollte ein neuer Umgangston gefunden werden. Im Abschlussbericht ist nun nichts mehr davon zu lesen. Die notwendigen Konsequenzen bleiben leider aus, dies muss sich ändern.

Die Katholische Kirche verweigert sich der Lebensrealität ihrer Gläubigen, die in einer der Synode vorausgegangenen Umfrage mehrheitlich einen liberalen Umgang mit Sexual- und Partnerschaftsfragen bescheinigten. Für die deutsche Katholische Kirche muss diese Entscheidung Konsequenzen haben. Wo Realität und Dogma so weit auseinanderklaffen, ist es nicht länger hinnehmbar, dass Angestellte kirchlicher Träger einem besonderen Arbeitsrecht unterstellt sind. Ich fordere die Deutsche Bischofskonferenz auf, ihre arbeitsrechtliche Haltung zu ändern und Angestellten außerhalb des direkten Verkündigungsdienstes eine Beschäftigung außerhalb der zu verkündenden Lehre zu ermöglichen. Explizit dürfen eine Krankenschwester, ein Altenpfleger oder ein Buchhalter in der Verwaltung nicht darunter leiden, dass eine religiöse Organisation sich der gesellschaftlichen Realität verweigert.



Weltoffene Schulpolitik statt Geschwätz von Gestern

Ulrich Thoden

Ulrich Thoden

Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und Grüne in Hessen darauf geeinigt, an den Schulen über sexuelle Vielfalt aufzuklären – doch Hans-Jürgen Irmer, der bildungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Landtag setzt vielmehr auf Einfalt. In der “Frankfurter Neuen Presse” zeigte Irmer, der auch stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender ist, wie nah er der neuen erzkonservativen Rollback-Bewegung steht. Zu dem Vorhaben, an Schulen über sexuelle Minderheiten aufzuklären, gab er an, dass noch „viel Klärungsbedarf“ bestehe. Zudem erklärte der Unionspolitiker, der in der Vergangenheit offen für Homoheilung eintrat, dass Homosexualität nicht normal sei.

„Es ist nicht nur für die hessische Union mehr als beschämend, dass ihr bildungspolitischen Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag solche obskuren Äußerungen tätigt. Auch die Bündisgrünen in Hessen, müssen sich fragen, ob der gemeinsame Koalitionsvertrag überhaupt die Tinte wert ist, mit der er geschrieben wurde.“, kommentiert Ulrich Thoden, schul- und bildungspolitischer Sprecher der NRW-Schwusos. „Das einzig anormale ist das Weltbild und die unerträglichen Hetzparolen des Herrn Irmer Aber zum Glück bestimmt nicht er, was normal ist und was nicht. Den Akteuren der politischen Rechten gemeinsam mit (christlichen) Fundamentalisten geht es um nichts weniger als ein Zurückdrehen des gesellschaftlichen Fortschrittes, den Rollback der emanzipatorischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.“

Die Folgen sind die Verstärkung von noch immer bestehender Homo-und Transphobie mit den hinreichend bekannten Folgen wie Diskriminierung, Mobbing und Ausgrenzung sowie den daraus resultierenden psychischen Problemen von Depression und Suizidalität. Eine Gesellschaft, die ihre Kinder und Jugendlichen nicht zu Offenheit und Akzeptanz verschiedener Lebenswirklichkeiten erzieht, sägt den demokratischen Ast ab, auf dem sie sitzt.

Daher verurteilen die Schwusos in NRW, die Äußerungen von Hans-Jürgen Irmer scharf. Sie appellieren an Bündis 90/Die Grünen in Hessen sich für die Akzeptanz verschiedener Lebensweisen einzusetzen, wie es die SPD in Nordrhein-Westfalen in der Regierung durch ihren Aktionsplan gegen Homophopie entschlossen vormacht.

NRW-Schwusos gestalten Bundeskonferenz 2014 aktiv mit

BuKo2014

Die Delegation des Landesverbandes der AG der Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- & Intersexuellen in der NRW-SPD

Vom 18.-19. Oktober fand in Nürnberg die Bundeskonferenz der Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen in der SPD statt. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen nahm mit 16 von insgesamt 77 Delegierten teil. Dabei konnten die Vertreterinnen und Vertreter aus NRW deutliche Akzente setzen.

Inhaltliche Schwerpunkte der diesjährigen Schwuso-Bundeskonferenz waren die Aufarbeitung der Unrechtsparagraphen §175 (West) und §151 (Ost), die Debatte um eine Namensänderung der Arbeitsgemeinschaft sowie Reaktionen auf den homophoben wiedererstarkenden Neokonservatismus.

Daher brachten die NRW-Schwusos unter anderem einen Resolutionsentwurf ein, der klar Stellung zum drohenden Roll-Back bei der Gleichstellung nimmt. Hier sieht die Delegation einen notwendigen Bedarf, die Aufklärungsarbeit an Schulen zu sichern und auszubauen. Die neue neokonservative Bewegung schürt bewusst durch Falschinformation Ängste bei Eltern und betreibt eine Dämonisierung aller Lebensmodelle, die von der klassischen Vater-Mutter-Kind-Rolle abweichen. Die eingebrachte Resolution wurde einstimmig angenommen.

Zwei weitere von NRW eingebrachte Anträge zu den ehemaligen §175 (West) und §151 (Ost) wurden einstimmig angenommen. Dabei wurde eine intensive Aufarbeitung des begangenen Unrecht beschlossen. Setzt der erste Antrag einen Schwerpunkt auf die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer. Der zweite Antrag richtet den Blick nach Innern und fordert die Historische Kommission der SPD auf, die Geschichte der Partei im Zusammenhang mit der Strafgesetzgebung gegenüber Homosexuellen erforscht.

Der Name Schwusos – Lesben und Schwule in der SPD – entstand vor über 35 Jahren und ist historisch gewachsen. Jedoch fühlen sich wesentliche Personengruppen, wie Leseben, Bi,- Trans- oder Intersexuelle sich nicht durch ihn nicht angesprochen. Um hier eine breite Zustimmung zu finden, wurde unter anderen durch die Mitwirkung der NRW-Schwusos beschlossen, einen inhaltlichen Dialog auf Ebene der Landesverbände zu führen, der bis zum Frühjahr 2015 zu einem Ergebnis führen soll.

Kein Roll-Back in der Gleichstellung – Erfolge verteidigen

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Fabian Spies

Besorgniserregend ist jedoch, dass es derzeit eine erstarkende Roll-Back-Bewegung gibt, die auf plumpe, reißerische und verängstigende Art, versucht die Fortschritte der Aufklärungsarbeit rückgängig zu machen. Ein konservatives Familien- und Geschlechterbild soll alleiniges Ideal sein. Die NRW-Schwusos wissen, dass die erzielten Erfolge der Gleichstellung stetig verteidigt werden müssen. Sie setzen in ihrer politischen Agenda auf Toleranz, satt Angst sowie auf Vielfalt, statt Einfalt.

„Hier wird mit Ängsten von Eltern vor eine Übersexualisierung der Kinder gespielt. Dabei findet diese Roll-Backbewegung auch immer stärker Zugang in die etablierten Medien.“, kommentiert der Fabian Spies (Landesvorsitzender der Schwusos) die Situation und verweist auf den in der F.A.Z. erschienen Artikel ‚Unter dem Deckmantel der Vielfalt‘. „Dieser Artikel stellt die wichtige Arbeit von Pro Famlia oder SchLAu in ein negatives Licht, indem auf Jahrzehnte alte Arbeiten von Einzelpersonen verwiesen wird, die rein gar keinen Bezug zu beiden Aufklärungsprojekten haben. Desweiteren impliziert die Autor Antje Schmelcher etwa auch, dass durch die Darstellung von Regebogenfamilien in Lehrmaterialien Kindern Orientierung und Struktur genommen werde. Das ist natürlich völliger Quatsch. Hier wird lediglich gezeigt, was Kinder und Jugendliche längst in ihren Lebenswirklichkeiten kennen. Patchwork- und Regenbogenfamilien unterscheiden sich in der Form von der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie, sind aber gleichwertig, da in allen Fällen Verantwortung füreinander übernehmen wird.“

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